Dies ist der vierte Teil einer kleinen Serie rund um das Wahlrecht bei dieser Kommunalwahl. Folgende Teile sind bereits erschienen:
- Was und wer wird bei der Kommunalwahl am 11.09.2011 gewählt?
- Wer ist bei der Kommunalwahl am 11.09.2011 wahlberechtigt?
- Wie wird bei der Kommunalwahl am 11.09.2011 gewählt?
- Wie werden die Sitze bei der Kommunalwahl am 11.09.2011 verteilt?
Wie werden die Sitze verteilt?
Bei dem Wahlsystem handelt es sich um ein Verhältniswahlrecht mit offenen Listen. Die Sitze werden nach dem Hare-Niemeier-Verfahren vergeben. Das Hare-Niemeierverfahren ist ein Quotenverfahren mit Restausgleich nach größten Bruchteilen. Alles klar?
Grob bedeutet dies, dass die Sitze im Verhältnis der abgegeben Stimmen vergeben werden. Anders als im Mehrheitswahlrecht, bei dem der Kandidat den Sitz gewinnt, der mehr Stimmen erhält als jeder andere Kandidat in seinem Wahlbereich. Die Stimmen für die unterlegenen Kandidaten sind dann verfallen. Beispielsweise die Bürgermeisterwahl funktioniert nach dem Prinzip des Mehrheitswahlrechts.
Offene Liste meint, dass die Parteien einen Vorschlag machen, in welcher Reihenfolge nach ihrer Meinung die Sitze vergeben werden sollten. Dies ist aber für den Wähler nicht bindend. Er kann sich mit seinen Stimmen dem Vorschlag anschließen oder seine Stimmen nach seinen eignen Vorstellungen auf die Kandidaten verteilen (siehe „Wie wird bei der Kommunalwahl gewählt?„).
Liebhaber des Wahlrechts können gerne den unten aufgeführten Links folgen. Für alle anderen möchte ich die Sitzverteilung bei der diesjährigen Kommunalwahl an einem Beispiel deutlich machen. Angenommen 4 Parteien erhalten bei der Wahl die folgenden Stimmanteile:
Partei A | Sitzanteil | Partei B | Sitzanteil | Partei C | Sitzanteil | Partei D | Sitzanteil |
---|---|---|---|---|---|---|---|
37 % | 12,58 | 41 % | 13,94 | 17 % | 5,78 | 5% | 1,7 |
In Neu Wulmstorf werden 34 Mitglieder für den Gemeinderat gewählt. Die Sitze werden in Wahlgebieten mit nur einem Wahlbereich, wie bei der Gemeinderatswahl in Neu Wulmstorf (siehe vorherige Folge), in nach §36 des Niedersächsischen Kommunalwahlgesetzes drei Schritten auf die Kandidaten aufgeteilt.
Im ersten Schritt wird bestimmt, welche Partei wie viele Sitze bekommt. Dafür werden zunächst alle Stimmen, die auf die Liste der Partei und auf die Kandidaten dieser Partei entfallen sind, zusammengezählt. Sodann wird Ihr Anteil an den insgesamt abgegebenen gültigen Stimmen ermittelt. Dieser wird mit der Anzahl der zu vergebenen Sitze multipliziert. Darauf hin erhält jede Partei zunächst so viele Sitze, wie es den ganzzahligen Anteilen entspricht. In unserem Beispiel also erhält Partei A zunächst 12 Sitze, Partei B 13, Partei C 5 und Partei D einen Sitz. Das macht zusammen 31 Sitze. Es bleibe also noch drei weitere Sitze zu vergeben. Diese werden nach dem größten Rest verteilt, also der größten Nachkommastelle. Danach erhalten Partei C, Partei D und Partei B noch jeweils einen zusätzlichen Sitz. Das Ergebnis sieht also wie folgt aus: Partei A erhält 12 Sitze, Partei B 14, Partei C 6 und Partei D 2 Sitze.
Sollte eine Partei mehr als die Hälfte der gültigen Stimmen erhalten haben, aber nach dem oben geschilderten Verfahren nicht mehr als die Hälfte der Sitze bekommen haben, so bekommt sie von den nach Bruchteilen zu vergebenen Sitzen zunächst einen Sitz zugeteilt, die restlichen Sitze werden nach dem beschriebenen Verfahren verteilt.
Im zweiten Schritt wird ermittelt, wie die Sitze, die auf eine Partei entfallen auf die Kandidaten der Partei verteilt werden. Dafür wird so getan, als ob die Liste gegen die Gesamtheit der Listenkandidaten dieser Partei angetreten wäre. Sodann wird nach dem oben beschrieben Verfahren bestimmt, wie viele Sitze auf die Liste und wie viele auf die Gesamtheit der Listenbewerber entfallen. Dann werden die Sitze, die auf die Gesamtheit der Listenkandidaten entfallen, an diese in der Reihenfolge der Anzahl der auf sie entfallenen Stimmen vergeben.
Auch dies an einem Beispiel. Angenommen Partei C hat 8 Kandidaten aufgestellt. Die Stimmen sind wie folgt auf Sie entfallen:
Liste | K1 | K2 | K3 | K4 | K5 | K6 | K7 | K8 |
---|---|---|---|---|---|---|---|---|
850 | 200 | 250 | 170 | 120 | 25 | 80 | 10 | 180 |
850 Wählerstimmen entfielen auf den Listenvorschlag der Partei. Die anderen Wähler von Partei C haben von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, ihre Stimme einem oder mehreren Kandidaten direkt zu geben und damit vom Vorschlag ihrer Partei abzuweichen. Auf die Gesamtheit der Kandidaten entfielen 200+250+170+120+25+80+10+180=1035 Stimmen. Im Beispiel weiter oben hatten wir ermittelt, dass auf Partei C 6 Sitze entfallen. Auf die Liste entfällt dabei ein Anteil von 850/(850+1035)*6≈ 2,71, auf die Gesamtheit der Kandidaten ein Anteil von 1035/(850+1035)*6≈3,29. Nach dem oben Beschriebenen Verfahren bedeutet das 3 Sitze für die Liste und 3 Sitze für die Gesamtheit der Kandidaten.
Zunächst werden jetzt die Sitze der auf die Gesamtheit der Einzelkandidaten entfallenden Sitze vergeben. Vergeben in der Reihenfolge der auf sie entfallenen Stimmen bedeutet das, dass die Kandidaten K2, K8 und K1 gewählt sind. Sodann werden die Sitze, die auf die Liste entfallen, vergeben. Dies geschieht in der Reihenfolge, in der sie auf der Liste stehen. Ihre individuell gewonnen Stimmen spielen hier also keine Rolle. Da niemand mehr als einen Sitz bekommt, fallen diejenigen weg, die schon einen Sitz im Zuge der Verteilung der Gesamtheit der Listenkandidaten erhalten haben. Die 3 Sitze für die Liste erhalten also die Bewerber K3, K4, K5.
Stehen einer Partei mehr Sitze zu, als Sie Bewerber hat, so bleiben diese Sitze bis zum Ende der Wahlperiode unbesetzt.
Das oben Gesagte gilt für Wahlgebiete mit einem Wahlbereich. Das ist bei der Gemeinderatswahl in Neu Wulmstorf der Fall. Die Wahl zum Kreistag des Landkreises Harburg findet in mehreren Wahlbereichen statt. In Wahlgebieten mit mehren Wahlbereichen werden die Sitze ganz genauso vergeben, wie oben beschrieben, mit der Ausnahme, dass wenn eine Partei in einem Wahlgebiet mehr Stimmen erhält, als sie Kandidaten aufgestellt hat, diese Sitze nicht unbesetzt bleiben, sondern unter den anderen Kandidaten dieser Partei aus anderen Wahlbereichen in der Reihenfolge der auf sie individuell entfallenen Stimmen verteilt werden.
Quellen:
- Hinweise und Vordrucke zur anstehenden Kommunalwahl auf der Webseite der Gemeinde Neu Wulmstorf
- Kommunalwahlen in Niedersachsen am 11. September 2011, Seite des Niedersächsischen Landeswahlleiters
- Grundzüge des niedersächsischen Kommunalwahlsystems, Seite des Niedersächsischen Landeswahlleiters
- Kommunalwahlrecht in Niedersachsen auf wahlrecht.de
- Niedersächsisches Kommunalwahlgesetz im Niedersächsischen Vorschrifteninformationssystem
- Niedersächsisches Kommunalwahlordnung im Niedersächsischen Vorschrifteninformationssystem
- Hare-Niemeyer-System bei Wikipedia
- Hare-Niemeyer-System bei wahlrecht.de
- Kreistag des Landkreises Harburg
- Kreiswahl am 11. September 2011 – Informationen des Kreiswahlleiters des Landkreises Harburg
- Rat der Gemeinde Neu Wulmstorf
Hallo Herr Weigmann,
Ihre Seite gefällt mir gut. Ich kandidiere in Bad Nenndorf für die SPD und fühle mich von Ihnen prima über das Wahlrecht informiert. Auch die Idee mit einem offenen Forum ist gut – ob sich das durchsetzt?
Grüße aus Bad Nenndorf