Dies ist der dritte Artikel einer Reihe über die CDU-Wahlplakate zur Kommunalwahl 2011 in Neu Wulmstorf. Sofern Kandidaten auf den Plakaten abgebildet sind, findet sich deren Intention auf der Webseite der CDU Neu Wulmstorf wieder. Hier möchte ich meine persönliche Interpretation des jeweiligen Themas darlegen.
Bisher erschienen sind:
- CDU Wahlplakat “Ehrenamt ist Ehrensache” mit Jan-Thorsten Lüdemann
- CDU Wahlplakat “Wir sind die Familienpartei!” (Teil1) mit Katja Seifert
Heute beschäftige ich mich wieder mit dem Wahlplakat „Wir sind die Familienpartei! Wer sonst!“ mit Katja Seifert.
Wir sind die Familienpartei! Wer sonst!
Warum ist die CDU (die CSU sei bei diesem Thema immer mal mitgedacht) für mich die Familienpartei und sonst niemand? Im ersten Artikel zum Wahlplakat „Wir sind die Familienpartei!“ habe ich ausgeführt, dass die CDU für mich die letzte Partei in Deutschland ist, die noch ernsthaft um den Begriff Familie ringt, die noch nach einer vernünftigen Definition und Interpretation für unsere heutige Zeit sucht, die es sich im Widerstreit zwischen traditionellen und modernen Betrachtungsweisen nicht zu einfach macht.
Vereinbarkeit von Familie und Beruf
Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, die Aufteilung der in der Familie anfallenden Aufgaben – Erwerbs-, Haus- und Erziehungsarbeit – gehört heute zu den viel diskutierten Themen. Jede Familie steht von Neuem vor diesen Fragen und jede muss Ihre eigene Antwort finden. Die CDU setzt sich hier als letzte Partei für eine echte Wahlfreiheit der Familien ein. Die anderen Parteien haben mehr oder minder beschlossen, das Heil in einer umfassenden staatlichen Rundumversorgung zu suchen.
Um Missverständnissen auch hier noch einmal vorzubeugen: Wenn ich von Parteien spreche, meine ich immer die, die sich flächendeckend oberhalb der 5%-Grenze bewegen. In der theoretischen und faktischen Programmatik der diversen Splitterparteien kenne ich mich einfach nicht aus.
Die Frage der Aufteilung der Aufgaben in der Familie berührt zwei Punkte, die von den Eltern zu entscheiden sind. Zum einen, wie sie unter sich die Erwerbs-, Haus- und Erziehungsarbeit aufteilen und zum anderen, wie sie die Erziehungsarbeit erbringen wollen.
Aufteilung der Aufgaben zwischen den Eheleuten
Die Aufteilung der Aufgaben innerhalb der Familie gehört zu den Kernbereichen der privaten Lebensführung. Artikel 6 des Grundgesetzes stellt die Familie unter den besonderen Schutz der staatlichen Ordnung. Das Bundesverfassungsgericht hat dies in der Vergangenheit immer so interpretiert, dass die Ausgestaltung des Ehelebens allein Sache der Eheleute ist. Dem Staat bzw. dem Gesetzgeber steht hier keine eingreifende Regelungskompetenz zu. Weder ist es ihm gestattet, explizite Regeln zu erlassen, noch darf er durch sein Handeln ein bestimmtes Lebensmodell fördern oder benachteiligen. Das gilt insbesondere auch für finanzielle Regelungen. Daher steht zum Beispiel das Ehegattensplitting nach vorherrschender Meinung nicht zur Disposition. Besonders im linken politischen Lager gibt es starke Strömungen, die das Splitting gerne abschaffen, zumindest jedoch einschränken möchten.
Das Streichen oder das Kappen des Ehegattensplitting würde jedoch dazu führen, dass Eheleute steuerlich schlechtergestellt werden, wenn die Eheleute über ein unterschiedlich hohes Erwerbseinkommen verfügen, insbesondere dann, wenn ein Ehepartner voll und der andere überhaupt nicht erwerbstätig ist. Dies bedeutet im Umkehrschluss eine Bevorzugung der Doppelverdienerehe. Eine solche Privilegierung steht dem Staat aber nicht zu, da er sich aus der Frage der Aufgabenteilung in der Ehe herauszuhalten hat. Was aus dem einen oder anderen Weltanschauungsmodell her betrachtet wünschenswert wäre, ist hier ohne Belang.
Die Erziehung der Kinder ist das natürliche Recht der Eltern
„Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht.“ So sagt es Artikel 6 Abs. 2 des Grundgesetzes. Es obliegt den Eltern festzulegen, wie Sie dieser Pflicht nachkommen wollen. Sie können sich entscheiden, die Pflege und Erziehung ihrer Kinder – vorbehaltlich der Schulpflicht – vollständig selbst zu übernehmen oder hierfür weitgehend auf einen externen Dienstleister zu setzen, wie es z.B. Internate sind. Die meisten Eltern entschließen sich für eine Lösung irgendwo zwischen diesen Polen.
Die staatliche Gemeinschaft wacht über die Betätigung der Eltern als Eltern. So sieht es der zweite Satz des Artikels 6 Abs. 2 des Grundgesetzes vor. Die staatliche Gemeinschaft nimmt hier eine Wächterfunktion zum Schutze der Kinder wahr. Dies soll Kinder vor groben Fällen von Vernachlässigung und Misshandlung schützen. Keinesfalls ist damit gemeint, dass der Staat seine eigene Vorstellung von „richtiger“ Kindererziehung durchsetzt. Den Staat geht es grundsätzlich nichts an, wie die Eltern ihre Elternpflichten bewältigen. Er hat als Staat nicht darüber zu urteilen, ob eine Lösung besser ist als eine andere. Dementsprechend muss er sich auch bei der Förderung bestimmter Modelle zurückhalten.
Dem entgegen betreiben oder teilfinanzieren die Gemeinden heute eine Vielzahl von Kinderbetreuungseinrichtungen. Dazu gibt es durch Bundesgesetze auch einen verbindlichen Auftrag. Die Nachfrage ist ebenfalls groß und sie wird vielerorts nicht vollständig befriedigt. Neu Wulmstorf übererfüllt den gesetzlichen Auftrag bereits jetzt. Das sagt nicht, dass an manchen Orten zu manchen Zeiten nicht auch hier der Bedarf nicht gedeckt werden kann. Es gab aber auch schon nicht besetzte Kindergartenplätze. Die Nachfrage schwankt und es ist Schlichterdings nicht möglich, das Angebot von Jahr zu Jahr perfekt nachzujustieren.
Warum müssen Gemeinden überhaupt Kinderbetreuungseinrichtungen betreiben oder betreiben lassen? Warum bildet sich bei der hohen Nachfrage kein blühender privatwirtschaftlicher Dienstleistungszweig in diesem Bereich? Dies wäre doch die einer Marktwirtschaft angemessene Lösung, die wahrscheinlich auch wesentlich passgenauere Angebote hervor bringen würde. Die Antwort ist einfach: Weil Eltern nicht bereit oder nicht in der Lage sind, die entstehenden Kosten für die Fremdbetreuung ihrer Kinder zu tragen. Daher kann dieser „Wirtschaftszweig“ in unserer Gesellschaft nur mit hohen öffentlichen Subventionen existieren. Das kann man gut oder schlecht finden. Den Zweck förderungswürdig oder nicht. Tatsache ist, dass die Zuschüsse nicht aus dem Nichts kommen. Es handelt sich um Geld der Steuerzahler oder wird über die Schuldenaufnahme den Kindern von heute für ihre Zukunft mit auf den Weg gegeben. Betrachten wir die beiden Finanzierungswege etwas genauer.
Finanzierung über Verschuldung
Der Weg über die Verschuldung ist schnell behandelt. Immer wurde es als Aufgabe, auch als finanzielle Aufgabe der Eltern zumindest der Elterngeneration betrachtet, ihre Kinder zu ernähren, auszubilden und zu erziehen. Immer hat die Elterngeneration auch versucht, im Leben etwas zu schaffen, das man den Kindern hinterlassen, also vererben kann. Diese Vorstellung scheint heute nicht mehr modern zu sein. Den Kindern von heute, also den Steuerzahlern von morgen wird nun zumindest ein Teil der Kosten ihrer eigenen Erziehung und Ausbildung als Schulden mit auf den Lebensweg gegeben. Gleichzeitig sollen sie in der Zukunft eine Elterngeneration versorgen, die zu einem bedeutenden Teil eine Onkel- und Tantengeneration ist und daher auch zahlenmäßig bedeutend größer ist als ihre eigene. Ich halte das insbesondere in dieser Kombination für den Gipfel der Unanständigkeit und für ein schweres Versagen meiner Generation und der Generation meiner Eltern.
Finanzierung über Steuern
Der zweite Finanzierungsweg ist der aus dem allgemeinen Steueraufkommen. Das bedeutet, dass die Familien sich zu einem guten Stück selbst finanzieren. Ich habe diesen Punkt schon im ersten Teil des Artikels bereits näher ausgeführt. Immerhin sorgt dieser Finanzierungsweg dafür, dass auch die Kinderlosen an der Versorgung, Erziehung und Ausbildung der Generation beteiligt werden, die später einmal ihre Altersversorgung erwirtschaften soll.
Ein Teil der Kosten von Kinderbetreuungseinrichtungen wird über die Beiträge der Eltern finanziert. Zumeist sind diese Beiträge sozial gestaffelt. Den Teil, der durch Zuschüsse finanziert wird, zahlen die Familien aber eben auch zu einem Teil selbst. Da dieser Beitrag zumindest ebenfalls teilweise aus dem Steueraufkommen kommt, steht den Familien dieses Geld nicht mehr zur eigenen Verfügung. Hat der Staat, in diesem Fall die Gemeinde nicht mehr genügend Geld die tatsächlichen oder gefühlten Pflichtaufgaben zu erfüllen, wird wahlweise die Verschuldung erhöht, was moralisch nicht zu rechtfertigen ist, oder es werden die Steuern erhöht. Diesen Weg haben wir in Neu Wulmstorf gerade im letzten Jahr erlebt. Die Gemeinde hat die Grund- und Gewerbesteuern erhöht. Dass dies das Ergebnis einer kollektiven Fehleinschätzung war, macht die Sache nicht besser (siehe „Die Steuerhöhung 2010 war nicht notwendig!„). Da Familien mehr Wohnraum benötigen als Singles oder Paare, trifft sie die Grundsteuererhöhung besonders.
Staatliche Förderung beeinflusst auch die, die sie nicht Anspruch nehmen
Insbesondere müssen auch Familien, die keinen oder geringen Gebrauch von den in der Gemeinde vorhanden Betreuungseinrichtungen machen, diese ebenfalls mitfinanzieren. Dies erhöht die tatsächliche oder wahrgenommene Notwendigkeit, zur Erhaltung des Lebensstandards mehr Erwerbsarbeit zu leisten. In der Folge steigt damit die Notwendigkeit, die angebotenen Fremdbetreuungsmöglichkeiten wahrzunehmen, um Berufstätigkeit mit der Familie vereinbaren zu können. Damit schließt sich der Kreis und die Betreuungseinrichtungen erzeugen über ihre Finanzierung ihre eigene Nachfrage.
Eltern, die aus anderen Gründen als aus Notwendigkeit einer Erwerbsarbeit nachgehen, sollten ohnehin die vollen Kosten der Betreuung ihrer Kinder selbst übernehmen. Noch einmal: Ich werte diese Wahl in keiner Weise. Das steht mir genauso wenig zu, wie es staatlichen Stellen zusteht. Wenn aber andersherum Menschen via Steuern oder Beiträgen andere Menschen mit der Finanzierung ihres frei gewählten, individuellen Lebensstils belasten, scheint mir das nicht fair.
Über den Weg der Finanzierung erzeugt die staatliche Gemeinschaft Druck hin zu einem Lebensmodell, dass zu einem bedeutenden Teil die Fremdbetreuung der eigenen Kinder vorsieht. Einen solchen Einfluss sollte sie aber nicht nehmen. Eine echte Wahlfreiheit kann nur dann wieder hergestellt werden, wenn Familien, die ihre Kinder ganz oder überwiegend selbst betreuen wollen, hierfür ebenfalls eine Förderung bekommen. Damit hier keine Missverständnisse aufkommen: Ein System wo Alles und Jeder gefördert wird, mithin sich die Finanzierung, sofern diese nicht durch Verschuldung erfolgt, im Kreis dreht ist natürlich kein erstrebenswerter Zustand. Da in einem solchen System immer weniger raus kommt als rein gesteckt wird, die Verwaltung und Verteilung kostet eben auch Geld, führt es zu Wohlstandsverlusten bei allen Bürgern. Andererseits ist die Abschaffung der Subventionierung von Kinderbetreuungseinrichtungen in unserer Zeit politisch undenkbar. Daher bleibt realpolitisch nur der Weg des gleichmäßigen Gebens.
Betreuungsgeld
Ein solcher Weg ist zum Beispiel das von der CSU angeregte Betreuungsgeld. Leider hat dieses auch in der CDU zu wenig Freunde. Dies bringt uns aber zurück zum eigentlichen Thema. Warum ist die CDU die Familienpartei? Sie ist es, da in der Union noch um den richtigen Weg gerungen wird, weil es hier noch denkbar erscheint, dass Eltern ihre Kinder ganz oder überwiegend selbst betreuen und dass das eine Zukunft hat. Der Rest der Parteien möchte die Kindererziehung am liebsten weitgehend in professionelle Hände legen.
Hieraus spricht auch ein tiefes Misstrauen gegenüber den Eltern, die ihren Pflichten vermeintlich nicht nachkommen. Nun ist es unbestreitbar, dass es Eltern gibt, die mit der Erziehung und Ausbildung ihrer Kinder völlig überfordert sind. Der Anteil solcher Eltern scheint auch zuzunehmen. Diese Kinder dem Elternhaus auf sanfte Weise zu entziehen und sie über Krippen, Horte, Kitas und Ganztagsschulen weitgehend in den staatlichen Einflussbereich zu bringen, scheint eine Frage der Chancengerechtigkeit zu sein.
Fremdbetreuung zur Herstellung von Chancengerechtigkeit
Da sich die Gesellschaft auch nicht traut, im Einzelfall festzulegen, für welche Kinder eine Fremdbetreuung gegenüber der konkreten Familie vorzuziehen ist, nimmt sie Zuflucht über Regelungen, die für alle verpflichtend sind. Diskutiert werden verbindliche Vorschule, verbindlicher Kindergarten, zumindest das letzte Jahr, Ganztagsschulen und so weiter. Politiker, die vor dem Gedanken des staatlichen Zwangs noch zurückschrecken, machen sich daran, solche Leistungen als Geschenk zu verpacken: freies Kindergartenjahr, freies Mittagessen und was weiß ich nicht noch alles. Da stören natürlich Regelungen, die eine echte Wahlfreiheit herstellen und im Zweifelsfall die Annahme des Geschenks nicht attraktiv erscheinen lassen.
Auf diesem Wege eine Gleichheit, die sich als Gerechtigkeit ausgibt, herstellen zu wollen, halte ich für eine Illusion. Eine solche Chancengleichheit ist nicht einmal herzustellen, wenn wir die Kinder gleich nach der Geburt vollständig an einen staatlich geregelten und elternfreien Erziehungsprozess übergeben, da Lebens- und Ernährungsgewohnheiten der Mutter schon vor der Geburt großen Einfluss auf das Kind haben. Schöne neue Welt lässt grüßen.
Sich auf einen solchen Weg zu begeben halte ich für fatal, da der Versuch einer solchen Einflussnahme immer durch einen Verlust an Freiheit erkauft wird: die Freiheit, seine Kinder selbst zu erziehen, ihnen die Werte zu vermitteln, die man selbst für richtig hält oder auch nur die Freiheit seine Zeit selbstbestimmt mit den eigenen Kindern zu verbringen.
Zusammenfassung
Dieser Artikel trifft keine Aussage über die Qualität der gemeindlichen Kinderbetreuungseinrichtungen. Meine Kinder haben alle den Kindergarten besucht oder besuchen ihn noch immer. Mein persönlicher Eindruck ist, dass in unserem Kindergarten, über andere kann ich mir kein Urteil erlauben, ganz hervorragende Arbeit geleistet wird. Dies ist hier aber nicht der Punkt.
Der Artikel wertet auch nicht die Entscheidung von Eltern, ihre Kinder in eine Kinderbetreuungseinrichtung zu geben oder auch nicht, genauso wenig, wie er bestimmte Modelle der Beziehung der Ehepartner untereinander wertet. Er plädiert für eine echte, faktische und nicht nur theoretische Freiheit in diesen Fragen.
Die Fragen, wie Familien ihr Leben gestalten, wie sie Haus- Erwerbs- und Erziehungsarbeit gestalten, sind Themen des Kernbereichs der persönlichen Lebensführung. Das Grundgesetz schützt diesen Bereich weitgehend vor dem Zugriff und der Einflussnahme der staatlichen Gemeinschaft. Damit wird das Thema auch zu einem Freiheitsthema. Und diese Freiheit will und muss verteidigt werden. Die gefährlichsten Feinde der Freiheit sind dabei nicht die offensichtlichen und bösartigen. Hüten muss man sich vor den gut meinenden, denn man erkennt sie oft zu spät und sie kennen keine Skrupel.
In der Union ist dieser Kampf um die Freiheit der Familien noch in vollem Gange. Die Unionsparteien sind daher die wahren und letzten Familienparteien.
Der Autor ist Mitglied der CDU und Kandidat für den Gemeinderat der Gemeinde Neu Wulmstorf in Niedersachsen.
Das gibt bestimmt wieder Ärger von den Bayern 🙂
Ja bitte, dann darf ich noch einmal in die Presse und die Barzis verhauen.